Providencia

Gut fünf Wochen sind wir am Anker in der Bucht von Santa Isabel. Wir haben dabei nicht nur auf die neuen Ruder gewartet. Vieles gab es auf der Gallina zu tun – Unterwasserschiff putzen, schleifen, malen, überall etwas ausbessern, Autopilot neu einstellen, auch mal kurz streiten, verwöhnt durch Claudia Küche ging alles wieder besser, „Weltsegleralltag“ – .

Aber wir genossen auch Providencia – fröhliche, freundliche Menschen, Karneval mit Miss Karibik Walen und verrückten Bootsrennen, Ausflüge mit dem Velo oder Motorroller, mit dem Motorroller immer Claudia am Steuer und ich hintendrauf, Wanderung auf den höchsten Hügel (620 m), entspannen an Stränden mit gutem Essen, Spaziergänge auf der Isla Catalina mit Mango sammeln, was sich später ungut bemerkbar machte, und vieles mehr – .

Der grosse Tag

Mittwoch, 30. Juni: Endlich, heute ist es so weit, die Ruder können montiert werden nachdem sie gestern, in Cellophan verpackt (!) auf einem Fischerboot zur Gallina gebracht wurden. Die ganze Fertigung der Ruder hat sich wegen schlechtem Wetter mit Regen und hoher Luftfeuchtigkeit verzögert. Gut so, das zeigt nämlich wie umsichtig Pablo und Balduin vorgehen, da auch sie wissen, dass bei der Aushärtung von Epoxy Harz eine maximale Luftfeuchtigkeit nicht überschritten werden darf.

Nach einem Kaffee geht’s los. Balduin und ich tauchen, Pablo und Claudia sind auf der Gallina. Behutsam lassen die beiden oben das backbord Ruder ins Wasser, wir unten empfangen es und befestigen am Ruderschaft eine Leine, so dass das Ruder durch die nun ausgefeilten Lager von oben via Flaschenzug von Pablo und Claudie hochgezogen werden können. Balduin und ich bringen das Ruder zur unteren Öffnung – zweimal klopfen bedeutet für die oben ziehen – sie ziehen und wir riegeln das Ruder von unten mal nach links mal nach rechts. Und siehe da, in kürze ist das Ruder an seinem Platz. Mit einem karibischen Faust auf Faust beschliessen Balduin und ich die Aktion unter Wasser. Herrlich mit Balduin zu tauchen, wir verstanden uns genial, jeder Handgriff einfach gut! Und oben angekommen „Happy, Happy“, Pablo strahlte vor Freude. Auch das steuerbord Ruder liess sich in gleicher Art problemlos montieren.

Wahnsinn, die beiden machen einfach mit bis alles funktioniert und sie wären nochmals gekommen wenn‘s nicht funktioniert hätte, zum abgemachten Preis. „Happy, Happy“. Unglaublich welches Glück wir hatten auf der kleine Insel Providencia Pablo und Balduin zu treffen. Wir werden die beiden nie vergessen und via Internet für andere Segler empfehlen.

Die Titanic und Pablo am Limit

Samstag, 18. Juni: um zehn Uhr sind wir bei Bernardo Bush wo unser Aufenthalt mit einem Visum für drei Monate verlängert wird und treffen danach Pablo und Balduin an der Mole von Santa Isabel. Pablo hat die Rohrfeile fertig und beide wollen beim Austesten dabei sein. Als wir zu viert die Titanic besteigen wollen ist nun Pablo der Skeptiker. Wir merken es ist ihm nicht wohl. Balduin jedoch überzeugt ihn das Risiko auf sich zu nehmen. Pablo versucht’s, kommt beim Besteigen in Schräglage, was die Titanic mit einem Ausweichen unter den Steg quittiert, da kommt er noch mehr in Schräglage und fällt dabei glücklicherweise in die Titanic und nicht ins Wasser. Einmal auf der Gallina fühlt sich Pablo sichtbar besser und meint gar beim Kaffee, dass er auch mal so wie wir auf einem Schiff leben möchte. Zur grossen Freude aller, – „Happy, Happy“, Pablos englisch Kenntnisse – passt die Rohrfeile in die tags zuvor mit der elastischen Feile vorbereiteten Öffnungen. Auf der Rückfahrt mit der Titanic lege ich nicht mehr am Steg an, sondern bringe die beiden an einen nahe gelegenen Sandstrand. Pablo ist mir dafür sehr dankbar und gesteht, dass er, als Kind Bogotas, eben nicht schwimmen kann. „Happy, Happy“.

Ärgerliche 0,5mm

Donnerstag, 16. Juni: Nach einem Spaziergang, zunächst entlang dem Meer und später entlang der Strasse, wo wir auch Pablo auf seinem Roller begegnen, „wir sollen nur schon weitergehen gehen, er komme gleich nach Hause“, treffen wir dort ein und werden von seiner Frau Doris empfangen. Während Claudia von ihr lernt wie ein Tamarindensaft richtig zubereitet wird, was mit grossem Aufwand verbunden ist, vermesse ich, nun mit einer Schublehre ausgerüstet, nochmals die neuen INOX-Vollprofile. Der Durchmesser stimmt nicht. Anstatt genau 50.0 mm sind es 50.6 mm. Dies scheint wenig, ist aber in Anbetracht, dass die Teflon Buchsen in welche die Ruderschäfte reinpassen müssen präzise einen Durchmesser von 50.1 mm aufweisen, doch ganz schön viel. Pablo, der nach etwa einer Stunde zusammen mit Balduin eintrifft, meint, dass dies eben in der Toleranz des Materials liege, „tranquil, tranquil“, und es sei doch besser als ein zu geringer Durchmesser. Eines ist klar, die insgesamt vier Buchsen, für jedes Ruder zwei, müssen ausgefeilt werden, die beiden oberen von innen und die beiden tiefer gelegenen von unten, tauchend. Wir diskutieren und skizzieren welche Werkzeuge dazu gebastelt werden müssen. In einem ersten Schritt sollen die Öffnungen mit einer Art elastischer Feile soweit vergrössert werden dass das alte Alu Profil mit einem dünnen rundum aufgeklebten Schleifpapier gerade mal passt. Mit dieser Art Rundfeile wird dann die Öffnung Schritt für Schritt und mit zunehmend dickerem Schleifpapier auf die 50.6 mm geweitet. Pablo sprüht vor Zuversicht, ich bin in Anbetracht der bevorstehenden Schleifarbeit doch eher noch skeptisch und Balduin liegt irgendwo dazwischen.

Kolumbianisches Tempo

Dienstag, 14. Juni: Nachdem wir am Montag nur mit viel Mühe den gebrochenen Ruderschaft von unten aus dem Rumpf ziehen konnten staunen wir nicht schlecht als wir auf unserer zweiten Velo Tour bei Pablo und Balduin vorbeischauen. Da liegt doch bereits ein Ruder im Rohbau auf der Werkbank und wird von den beiden stolz präsentiert. Das Material sei Gestern angekommen und da hätten sie schon mal nach der Vorlage des alten Ruders begonnen. Gut oder Glück, dass das alte Ruder mit dem Plan einigermassen übereinstimmt, welcher uns Frits, der Bootsbauer aus Holland, per Mail zustellte. Auch wenn noch ein gutes Stück Arbeit vor uns liegt, können wir bereits neun Tage nach der festgestellten Misere zuversichtlich an ein Weitersegeln denken. Mucho eficiente!

Augenklinik ” Lynd Newball”

Freitag, 10. Juni: Nach einigem telefonischem Hin und Her ist es möglich einen Termin zur Nachuntersuchung in der Augenklinik „Lynd Newball“ zu fixieren. So sitze ich um 13.30 im Kleinflugzeug nach San Andres, der Nachbarinsel von Providencia, um 14.30 im Taxi und um 15.00 in der Augenklinik „of the world best eye doctor. Nach einer Stunde beginnt die Untersuchung, Flavio Pineres ein junger, sympathischer Arzt spricht kaum englisch, seine auch sehr nette Gehilfin hingegen schon und verkündet, dass nochmals gelasert werden muss, sowohl am linken und nun neu auch am rechten Auge. Lynd Newball, der gut gelaunte Chef in Persona, wirft noch einen zusätzlichen Blick auf meine Netzhäute, bestätigt die Diagnose des jungen Arztes, meint, dass in Georg Town nur unnütz dekorativ gelasert wurde und verordnet eine Behandlung mit mindestens doppelter Leistung. Verunsichert welcher Arzt wohl recht hat und in Gedanken wie: „einfach davonlaufen, Gallina verschenken, Weltreise abbrechen“ versunken warte ich auf die Behandlung. Gut ist es bald soweit, Pineres, ob Show oder nicht, macht noch einige Konzentrationsübungen, zieht die Turnschuhe aus um wohl den Auslöser des Lasers besser bedienen zu können, gibt Anweisungen wie ich meinen Kopf im fürs Lasern vorgesehene Gestell halten soll, die Gehilfin hält denselben beruhigend von hinten und das unangenehme Lichtspiel auf den Netzhäuten beginnt. Um 18.45 ist der Spuk vorbei. Ich erhalte noch einen ausführlichen Arztbericht, Augentropfen sowie die Rechnung welche ich in Cash begleiche. Vor der Klinik wartet Alejandro Gomez, einem Freund von Pablo, und fährt mich zu sich nach Hause. Am nächsten Morgen in aller Frühe bringt er mich wieder zur Augenklinik, wo Flavio Pineres noch eine Schlusskontrolle durchführt und mich mit positivem Befund entlässt, so dass ich gerade noch rechtzeitig um sieben Uhr die Katamaran Fähre nach Providencia erwische. Am Mittag holt mich Claudia mit unserer Titanic von der Fähre ab und es geht nach Hause auf die Gallina wo es einiges zu erzählen gibt.

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