31. März bis 24. April 2017
Freitag 31. März, wir sind wieder in Kuba
Alle sind sie wieder da, die Vertreter der Immigration, des Hafens, des Veterinärinspektorates, des Landwirtschaftsinspektorates und natürlich wie schon bei unserer letzten Ausreise die nette Schnüffeldame Shyra, der Springer Spaniel. Einzig der beleibte Vertreter des Gesundheitsinspektorates in weissem Kittel getraut sich nicht an Bord, der Abstand zur Mole, ca. einen halben Meter, scheint ihm unüberwindbar. Seine Fragen zu unserer Gesundheit beantworten wir also dort wo’s ihm wohl ist, schnell ist er zufrieden und wir dürfen mit seiner Erlaubnis die gelbe Flagge streichen. An Bord geht es munter weiter mit dem Ausfüllen von Formularen, dem Gestempel, und dem Geschnüffel. Schliesslich nimmt das uns doch schon vertraute Klarierungszeremoniell sein Ende und wir sind ein weiteres Mal willkommen in Kuba. Auch Signore Piri, der staatliche Manager der Marina und privater Charmeur tritt auf die Mole – für ihn wohl eher so was wie ein Laufsteg -, erkennt die Gallina, strahlt, umarmt Claudia wie eine alte Freundin und ist ganz in seinem Element.
Mit Heinz nach Isla de la Juventud und wieder zurück nach Cayo Largo
Sonntagnacht, 2. April 2017: wir stehen vor der Ankunftshalle des internationalen Flughafens von Cayo Largo und schauen zu wie ca. fünfhundert Italiener zunächst aus einem Jet aus Rom, dann aus einem aus Milano an der Passkontrolle abgefertigt und von italienischem Hotelpersonal in die verschiedenen Busse eingewiesen werden. Irgendwann, fast zuletzt taucht auch Heinz auf. Mit dem Taxi geht’s zurück zur Marina und von da mit der Titanic eine Viertelstunde durch die Nacht zur Gallina.
Dienstag, 4. April 2017: wir verlassen Cayo Largo in Richtung Cayo Rosario. Mit einem angenehmen Wind aus Raumschott erreichen wir gegen Mittag unser erstes Etappenziel am Westende von Cayo del Rosario wo wir übernachten. In den nächsten drei Tagen geht es weiter durch den Canal del Rosario, den Golfo de Batabano, den Canal de la Cruz – der mit geloteten 1.5 Metern viel weniger tief ist als auf der Seekarte vermerkt – bei Cayo el Navio am Anker begleiten uns Chitres (Stechfliegen) und Stechmücken durch die Nacht, von dort geht es anderntags weiter an Nueva Gerona vorbei bis zur Ensenada de los Barcos wo wir eine weitere Nacht in nun sicherer Distanz von stechenden Plaggeistern verbringen.

Schliesslich erreichen wir am 7.4. am frühen Nachmittag die Marina von Siguanea und ankern ausserhalb derselben. Mit der Titanic fahren Claudia und ich in die Marina um zu erfahren, dass der verantwortliche Offizier der Guardia Frontera abwesend ist und dass wir unverzüglich zurück zur Gallina müssten um dort bis zum nächsten Morgen auf den Funkaufruf zu warten.
Samstag, 8. April 2017: tatsächlich, kurz nach neun Uhr werden wir per Funk aufgerufen. Wir steigen in die Titanic und treffen alsbald den verantwortlichen Offizier der Guardia Frontera. Wir setzten uns draussen auf eine Bank, er schaut die Papiere an, „habt ihr Waffen? nein, habt ihr Drogen? nein“. Bueno, es ist alles i.o. Unsere Schiffs Papiere verschwinden in der amtlichen Aktentasche und werden dort bis zur unserer Abreise von Juventud verwahrt.
Wir kaufen noch etwas Wasser, einen Weisswein und zwei gefrorene Bonitos, kehren zurück auf die Gallina, holen Heinz, fahren wieder in die Marina und begeben uns zu Fuss auf den Weg zum staatlichen Hotel Colony, einem Plattenbau und Zeugnis sozialistischer Entwicklungshilfe aus der damaligen DDR. Die ganze Anlage macht einen etwas heruntergekommenen Eindruck. Wir bestellen drei Fruchtsäfte und man bringt uns ein Tetrapack mit scheinbar tropischem Fruchtsaftinhalt. Da wir hier kein WiFi finden, entschliessen wir uns kurzerhand den Bus nach Nueva Gerona zu besteigen. Nach eineinhalb Stunden Fahrt durch verschiedene Dörfer erreichen wir schliesslich in einem bedrohlich überfüllten Bus die Inselhauptstadt. Fahrkosten: 3 Pesos (3 CUP = 12 Rappen) für uns drei. Wie es so ist, müssen wir mal alle drei dringend. Aber wo? Das ist in dieser Stadt offenbar nicht einfach. Wir werden, für uns völlig ungewohnt, immer wieder auf die Toilette im Spital verwiesen, welches wir schliesslich und gezwungenermassen auch aufsuchen. Die Toilette, „eine für alle“, befindet sich neben dem Wartsaal. Dort wird gerade grosszügig gereinigt. Flip Flop tief liegt das Wasser auf dem Fussboden und eine vor sich hin fluchende Putzfrau schlurft gestützt auf ihrem Wischmob durch den Raum. Wenigstens ist der WC Boden einigermassen trocken, jedoch um offenbar das Ganze auf dem lokalen Standart zu halten geht die Spülung nicht.

Etwas später entschädigt uns ein Spaziergang durch die sehr hübsche Fussgängerzone.Unser Eindruck von Nueva Gerona verbessert sich exponentiell. Es ist wirklich hübsch und gemütlich hier. Wir spüren nichts vom Massentourismus Kubas, nichts von der Schlitzohrigkeit kubanischer Liebenswürdigkeiten. Wir erleben Kuba wie es vielleicht noch überall vor der Tourismus Lawine einmal war. In einem kleinen Restaurant essen wir für sehr wenig Geld sehr gut. Auch eine saubere Toilette gibt’s. Hätten wir das doch nur eher gewusst.
Dienstag, 11. April 2017: 6:00 Tagwache. Heute ist Einkaufen in Nueva Gerona angesagt. In der Stadt angekommen und dem wiederum überfüllten Bus entflohen begeben wir uns zielstrebig zum Gemüsemarkt. Das dargebotene Sortiment ist zwar bescheiden, jedoch ist die Ware sehr frisch und wird in 10 Peso (CUP) Häufchen angeboten. In einigen der üblichen schmalsortiment Läden finden wir noch Poulet Schenkel, WC Papier, Milch und siehe da, kubanischen Wein im Tetra Pack. Übel nur, dass mir der Rücken schmerzt und so der Lastesel Nummer 1 ausfällt. Claudia und Heinz teilen sich in dieser Aufgabe und tragen den grossen und schweren Rucksack. Wir essen nochmals im selben Restaurant wie vor drei Tagen und machen uns dann mit dem 15.00 Bus auf den Rückweg. Die Fahrt geht allerdings nur bis zur letzten kleinen Ortschaft vor dem Hotel Colony. Dort müssen wir aussteigen und auf den nächsten Bus warten. Wir sitzen am Dorfplatz und betrachten das Treiben um die verschiedenen kleinen Läden. Bald werden wir von einem Mann mittleren Alters angesprochen. Er stellt sich als Juri vor und spricht fliessend Englisch. Französisch, Deutsch und Italienisch könne er auch und gibt uns gleich und fliessend drei Kostproben davon. Französisch hätte er in der Schule gelernt, die anderen Sprachen im Selbststudium. Juri arbeitet in Cayo Largo wo er Bootsausflüge mit Touristen begleitet. Jeweils 20 Tage ist er in Cayo Largo um dann wieder 10 Tage daheim zu verbringen etc. . Er möchte allerdings mehr Zeit zuhause bei seiner Frau Jamilla und seinem Söhnchen Francesco verbringen erklärt er uns später beim Kaffee in seinem überdurchschnittlich gut möblierten Häuschen mit grossem Fernseher und Stereoanlage. Ob sein
Wunsch erfüllt wird muss die Verwaltung in Nueva Gerona entscheiden. Ein entsprechendes Gesuch habe er eingereicht. Auf jeden Fall scheint er mit der Tourismusbranche gut zu leben. Den ortsunüblichen Luxus hat er sich mit Trinkgeldern finanziert. Diese fliessen in harten Pesos (Pesos Convertibles, CUC) und nicht in schwachen Pesos Cubanos (CUP) und ist unter anderem ein Grund, weshalb sich im sozialistischen Kuba zunehmend eine grosse Einkommensschere öffnet. Während in der Tourismusbranche ganz gut mit Trinkgeldern verdient wird, erhalten Staatsangestellte, und das sind im weiten Sinne die meisten Kubaner, ihre Löhne in Pesos Cubanos ausbezahlt. Löhne, deren Kaufkraft gerade mal reicht um sich in staatlichen Läden mit sehr beschränktem Angebot über Wasser zu halten. Wie viele Kubaner hat auch Juri neben seinen Trinkgeldern noch einen CUC bringenden Nebenerwerb. In einem Abstellraum produziert er Küchenmesser aus alten Sägeblättern. 3 CUC kostet ein grosses Modell. Wir kaufen Eines.
Mittwoch, 12. April 2017: wir wollen uns an Land beim Kommandanten der Guardia Frontera abmelden, was wiederum nicht so einfach ist wie gedacht, denn er und sein uniformierter Gehilfe wollen die Gallina noch auf kubanischen Inhalt kontrollieren. Also fahren wir zu viert mit der Titanic zurück zur Gallina, sind ganz nett, akzeptieren die Gewichtigkeit des Besuches, lassen den Gehilfen in der Gallina nach Landsleuten suchen und erhalten schliesslich vom Chef die wichtige Unterschrift für die Rückfahrt nach Cayo Largo.

Freitag, 14. April 2017: Cayo Matias frühmorgens, Claudia liegt unter dem Mast und macht ihre täglichen Pilates Übungen. Offenbar nicht mit voller Konzentration an den Übungen sieht sie, dass am Grossfall im Mast Top etwas nicht stimmt. Die fotografische Vergösserung bringt es an den Tag, der äussere Mantel des Grossfalls ist durchgescheuert. Glück im Unglück eine einfache Lösung ist naheliegend. Im Bootsmannstuhl geht’s mit Claudia aufwärts bis zur Mastspitze, wo sie das dort befestigte Grossfall losschneidet. Wieder an Deck ziehen wir den Mantel des Grossfalls über den inneren Teil desselben und verkürzen es um etwa einen Meter. Heinz unser Spezialist für Knoten, „er hasst Knöpfe“, erklärt Claudia, wie sie oben das Fall anbringen muss. Bald kapiert Claudia den Unterschied zwischen einem Knoten und einem „Knopf“, es geht mit ihr abermals aufwärts und das Fall sitzt am richtigen Ort mit dem richtigen Knoten. So einfach geht das!
Sonntag, 16.April 2017: wegen anhaltend starken Ostwinden und nach der gestrigen Umkehr von einer Route ausserhalb der Riffe, wo wir nur wenige Meilen nach Osten gutmachen konnten, entscheiden wir uns von Cayo Avolos bis Cayo Rosario für die Route zwischen den Aussenriffen und dem Cayo Cantiles. Der Weg von insgesamt 15 sm Länge ist an der schmalsten Stelle ca. eine halbe Seemeile breit, lediglich 2 Meter tief und über eine Länge von 5 sm gespickt mit einigen Korallenköpfen die auf der Seekarte mit „Patata“ bezeichnet sind. Um 14.00 nehmen wir trotz 20 kn Gegenwind die Strecke in Angriff. Später darf es nicht sein, da wir für den Ausguck am Bug gutes Licht brauchen. Die Motoren laufen mit je 2400 Umdrehungen/min und wir bewegen uns mit gerademal drei kn gegen Wind, Wellen und Strom. Zum Segeln gegen an ist die Passage zu eng. Bis auf eine „kontrollierte“ beinahe Kollision mit einem „Patata“, geht die Durchfahrt gut.

Während wir den letzten Teil der Strecke noch segelnd zurücklegen besuchen uns drei sehr willkommene Kubaner mit ihrem Boot und wollen uns Fische verkaufen. Kurzerhand nehmen wir ihr Boot an die Leine, der Autopilot hält den Kurs und die Preisverhandlungen beginnen. Weder CUC noch CUP sind gefragt. Flüssiges wird benötigt. Wir tauschen zwei Red Snapper gegen 3 Büchsen Bier und ca. 1.5 Liter Benzin. Kurz danach, bei Sonnenuntergang, ankern wir am Westende des Cayo Rosario. Endlich gibt’s wieder mal Fisch vom Grill und eine Entlastung für den unermüdlichen Heinz in der Küche.
Montag, 17.April 2017: früh morgens mit drei Dosen Bier und einem Rum Rest in der Flasche besuchen wir die Affenstation auf Cayo Cantiles. Dort treffen wir auf den Chef der Equipe und bald auch seine Companieros, die Besucher von Gestern, und der Handel um Langusten beginnt. Auf der Insel ist eigenartigerweise der gestern so begehrte Alkohol kein Zahlungsmittel. Man gibt uns zu verstehen, dass sie mit Alkohol von den Vorgesetzten nicht gesehen werden dürfen. Schliesslich einigen wir uns auf 6 CUC und ein kleines Packet Kaffee für neun mittelgrosse Langusten. Es ist schon deprimierend, dass Kuba einen sehr guten Kaffee produziert welcher jedoch für die durchschnittliche kubanischen Bevölkerung unerschwinglich teuer ist. Nach dem Langustenfeilschen nehmen wir Kurs auf Cayo Largo und ankern abends in der Playa Sirena.

Mittwoch, 19.April 2017: wir besuchen die Iguana Insel um 08.00 und können so die Iguanas beim Verlassen ihrer Wohnhöhlen beobachten. Während sie träge vor ihren Löchern hocken bewegen wir uns mit unseren Fotoapparaten aktiv um sie herum. Was denken wohl die Iguanas, wenn sie denken könnten – oder können sie das eventuell – ? Vielleicht hat auch Franco Ferrucci in seinem Buch „Die Schöpfung“ recht, wenn er die Reptilien als eher langweilige Viecher bezeichnet. Wie auch immer, ich muss dabei unweigerlich an das viele kubanisch Staatspersonal in staatlichen Betrieben jeder Art denken, wo bereits ein müdes Gähnen, wie das bei den Iguanas, als sportliche Aktivität zu deuten ist.
Traurig und deprimierend wenn man bedenkt, dass staatliche Verordnungen so aktive und kreative Wesen der „Schöpfung“, wie die des Homo sapiens sapiens, in ihrer Entfaltung auf Iguana Aktivitäten reduziert. Es ist natürlich absolut nicht so, dass ich meine alle Kubaner seien wie Iguanas. Bei Weitem nicht, glücklicherweise gibt es viele Juris, viele Hostal (Herberge) und Paladores (Restaurant) Betreibende und viele andere, die fantasievoll, oft am Rande der Gesetzwidrigkeit, der staatlich verordneten Lethargie, mit Erfolg zu entfliehen vermögen.
Noch am selben Abend essen wir am Buffet eines Hotels in Cayo Largo, wo uns ein schon beinahe Mitleid erweckender staatlicher Iguana eine Lektion authentischer Lethargie vorlebt und schliesslich auf sein unverdientes Trinkgeld wartet.
Donnerstag, 20.April 2017: zeitig am Morgen fahren wir, Claudia, Heinz und ich mit der Titanic in die Marina. Wir wollen rechtzeitig im Laden sein, doch der Laden ist noch geschlossen obwohl er gemäss Türschild offen sein sollte. Auch in der Bar ist das staatliche Internet noch nicht aufgegleist und so beschliessen wir uns für einen Rundgang im Hafengelände ausserhalb der Marina um mal zu schauen wo sich die Tankstelle befindet. Wir finden diese und erfahren, dass es den Sprit nur gegen Vorauszahlung in der Marina gibt. Also eine ganz bestimmte Menge für einen ganz bestimmten Zweck und zu einem ganz bestimmten CUC Preis. Wieder zurück in der Marina ist der Laden nun doch geöffnet und es werden nach einer halben Stunde sogar Poulet Schenkel angeliefert, wovon wir gleich sechs Stück nehmen, denn anderes Fleisch gibt es im Laden nicht. Die ganze Einkaufsfracht, Mineralwasser, Wein, Bier, Pulvermilch, Poulet … verfrachten wir auf ein Wägelchen und es geht ab in Richtung Titanic, mit der Titanic in Richtung Gallina und dort angekommen stellen wir fest, dass wir den Sack mit den Schenkeln auf der Mole liegengelassen haben. „ Wer keinen Kopf hat, hat Titanic“ und dies ist Strafe genug, ist doch unsere Titanic mit ihren zwei PS sehr langsam. Claudia und ich nehmen die Strafe auf uns und fahren zurück zur Marina. Dort ist der natürlich Hühnersack weg. Die Suche beginnt. Nach langem Herumfragen findet Claudia den Marina Angestellten der den aufgefundenen Sack in den kollektiven Kühlschrank des Hafenpersonals in Verwahrung gebracht hat. Mit herzlichen Worten erhalten wir unser Geflügel zurück und machen uns mit der Titanic auf den Rückweg, wohlwissend, dass damit unsere kulinarischen Höhenflüge für die drei nächsten Tage gesichert sind. Zwischendurch, während der Schenkelsuche, kann Claudia bei einer Schweizer Crew noch einen schönen Weisskohl abschwatzen und verspricht dafür einen Knoblauch, zwei Kartoffeln und eine Tomate als Gegenleistung zu liefern. Als wir einen Tag später das wertvolle Tauschobjekt in die Marina bringen wollen ist die Schweizer Jacht schon weg. Irgendwo werden wir sie vielleicht wieder treffen.

Samstag, 22.April 2017: Cayo Largo, Heute hat der Wind hat nachgelassen und wir können am Riff ankern und schnorcheln, schade, dass Heinz nicht mehr mit dem Gerät tauchen kann!
Sonntag, 23.April 2017: zu Fuss um 22.00 begleiten wir Heinz mit seinem Rollkoffer durch die Nacht zum Flughafen. Sein Flug geht wiederum nach Milano Malpensa. Wir stehen noch etwas plaudernd in der italienischen „Check In Schlange“, verabschieden uns dann herzlich von unserem Freund und machen uns auf den Rückweg. Unterwegs knackt, krabbelt und raschelt es noch immer wie auf dem Hinweg. Grosse Krabben säumen massenweise den Strassenrand. Glücklicherweise gibt es wenig Strassenverkehr auf Cayo Largo.